Interview: Nur wer auf hohem Niveau immer wieder bereit ist riskante Wetten einzugehen und neue Dinge auszuprobieren wird sich langfristig halten, findet Alexander Graf.


Alexander Graf gehört zu den Top 5 Influencern im deutschen E-Commerce. Auf seinem Blog Kassenzone besticht er nicht nur mit seinen messerscharfen Analysen, die regelmäßig zu Diskussionsstoff in der Branche führen. In seinem Podcast geben sich die Großen der Großen der deutschen E-Com Szene die Klinke. Und weil dem Mann das immer noch nicht reicht und ihm sonst langweilig wird, gründete er mit Spryker die wahrscheinlich am meisten polarisierende Shop-Tech-Software in DE, die u.a. von One Peak Partners mit 90 Millionen bewertet wurde. Nicht weiter erwähnenswert, dass Alex noch die Digital Commerce Days in Hamburg organisiert und mit etribes sowie Factor-A (vor kurzem verkauft) auch in der Beratungs- und Agenturszene mitmischt. Mit Alex spreche ich darüber, wie man sich in einer Plattformökonomie behaupten kann und was die Konkurrenten der GAFAs (Google, Amazon, Facebook, Apple) auszeichnen muss. 

RUPPERT

Lieber Alex, du beschäftigst dich ja nicht nur auf Kassenzone unglaublich viel mit den GAFAs und den strategischen Möglichkeiten in einer Plattformökonomie zu agieren. Bei der Vielzahl von Unternehmen in die du bisher Einblick hattest, welche Verkaufsmodelle hältst du für die vielversprechendsten?

Nachdem was wir in den letzten Jahren lernen durften, ist es natürlich am besten, wenn man ein dominanter Marktplatz ist, auf dem wiederum andere verkaufen. Verkaufen als Geschäftsmodell, also Handel, wir auch dank dieser Marktplätze immer schwerer. In diesem Umfeld gewinnen die Großen und die Kleinen müssen noch einfallsreicher sein.

ALEX

RUPPERT

Gibt es für dich Vorbilder außer Amazon, wo du sagst, die gehen strategisch besonders schlau vor und sind genau auf dem richtigen Weg? Und falls ja, was zeichnet diese Unternehmern aus?

Amazon ist deshalb ein Vorbild, weil sie auf hohem Niveau riskante Wetten eingehen und immer wieder neue Dinge ausprobieren. Es gibt nur sehr wenige Unternehmen die das heute so machen, am ehesten würde ich da noch Tencent in China sehen. Wenn man das Risiko nicht mehr geht, dann verschwindet man in der Bedeutungslosigkeit - siehe AOL oder Yahoo. Oder man wird nach Maßstäben der Plattformökonomie gar nicht erst bedeutend, siehe Karstadt oder Peek & Cloppenburg.

ALEX

RUPPERT

Was zeichnet deiner Meinung nach die Plattformökonomie aus und nach welchen Denkmustern sollte man strategisch vorgehen?

Es gibt Unternehmen die in der Lage sind für bestimmte Anwendungsfälle (Suche, Soziales Netzwerk...), Devices (Smartphone, Voiceeingabegeräte...) oder Software (Android, Chrome...) eine Art Monopol besitzen und einen Großteil der Nachfrage für diese Themen bedienen. Andere Unternehmen müssen den Kundenzugang von diesen "Plattformen" anmieten. Der direkte Kundenzugang wird zunehmend erschwert und im Auktionsverfahren "vermietet".

Wenn man als Unternehmen davon betroffen ist, gibt es verschiedene Strategien. Den wenigsten wird es gelingen selber eine Plattform zu werden, aber es gibt eine Menge guter Möglichkeiten der "beste Mieter" zu werden - zumindest für einen begrenzten Zeitraum.

ALEX

RUPPERT

Bester Mieter als Ziel klingt schon einmal gut 🤗! Was zeichnet diese Mieter aus? Schwimmen sie besonders gegen Strom? Sind sie besonders kreativ oder bedienen Sie besondere Nischen? Gibt es ein besonderes Beispiel das du besonders clever aufgezogen findest?

Aktuell kann man sicherlich Firmen wie Chaltec oder KW Commerce als vorbildliche Mieter bei Amazon aufzählen oder Idealo bei Google. Diese Firmen sind zurzeit in der Lage die Regeln der Plattformen am besten für sich zu nutzen. Sie sind in der Regel sehr agil, investieren viel in Software und probieren jede Woche neue Sachen aus, um weitere Erlösmodelle zu entdecken.

ALEX

RUPPERT

Jetzt habt ihr ja mit Spryker eine klare Marktplatzierung als OS für Commerce. Und du lässt dort ja auch deine entsprechenden strategischen Überlegungen und Wahrnehmungen in Spryker mit einfließen. Was müssen deiner Meinung nach für technologische Voraussetzungen geschaffen werden, in einer Welt von wenigen riesigen Marktplätzen und einer Vielzahl von hoffentlich extrem guten „Mietern“?

Vor allem zwei Dinge: a) Man muss in der Lage sein Kunden direkt zu erreichen, was am Ende des Tages immer eine Frage von Technologiekompetenz ist. und b) man muss vor allem schnell sein. Ideen schnell umsetzen können. Schneller scheitern als der Wettbewerb. Schneller lernen. All das kann man nur, wenn man echte Technologiekompetenz hat und nicht nur Powerpoint Kompetenz und einen großen Wortschatz rund um Big Data.

ALEX

RUPPERT

Einer meiner Lieblingssprüche ist ja „Make Things, Not slides“! Was sind die wichtigsten Technologiekompetenzen die man haben sollte, um in der Lage zu sein Kunden direkt zu erreichen? Wie berücksichtigt ihr das auch bereits bei Spryker?

Das würde ich vereinfachen indem ich sage: Wenn ein Startup aus Berlin mit zwei technologieorientierten Gründern in der Lage ist aufregende Lösungen zu entwickeln, dann kann das jedes andere Unternehmen auch. Die meisten Unternehmen stecken fest in ihrer SAP/IBM/Microsoft Welt und verlieren dabei den Blick für den Kunden. Alles was man nicht innerhalb von 3 Monaten am Markt vertesten kann, sollte man sein lassen. Wer das halbwegs beherzigt, ist schon ganz weit vorne. Jochen Krisch sagt ja schon immer ganz passend: Man muss gar nicht besser als Amazon sein. Etwas besser als Otto reicht schon.

ALEX

RUPPERT

Das ist ja mal eine klare Botschaft die Mut macht 😊! Was wären in diesem Zusammenhang deiner Meinung nach die Top 3 Denkmuster die man mitbringen sollte, um eine neue Marke, ein Produkt oder digitalen Service in einer GAFA Welt zu etablieren?

a) Was ist der Mehrwert für den Kunden. Will der Kunde das wirklich?
b) Kann ich mir damit den Zugang zum Kunden sichern?
c) Was ist der kleinstmögliche Testcase, um die Idee schnell an dem Markt zu bringen?
d) Kann ich das, oder sollte ich lieber die Leute von Spryker anrufen? Die können das!

ALEX

RUPPERT

So ist es 😂! D) ist hiermit beauftragt 😉!! Und was sind deiner Meinung nach die Top 3 überholten Denkmuster im Management?

# 1: Benchmark mit dem Wettbewerb. Das ist irreführend, weil der Kundenfokus fehlt. Benchmarks sind nur relevant bei kundengerichteten Werten.

# 2: Lineare Strategien. Unternehmen gehen zu oft davon aus, dass der Markt planbar ist. Das scheint aber nicht so zu sein, und Unternehmen die sich mit 5% Wachstum zufriedengeben, in einem Markt der 20% wächst, scheiden schnell aus.

#3 Erfahrung. Unternehmen stellen gerne Leute mit viel Erfahrung im digitalen Umfeld ein. Dabei sind das gerade die Leute denen neu denken so schwer fällt. Erfahrung im digitalen Umfeld bedeutet erst mal nix. Weder etwas gutes, aber auch nichts schlechtes.

ALEX

RUPPERT

Und vielleicht hast du zu guter letzt auch noch ein, zwei Buchempfehlungen, die sich lohnen zu lesen 🙂

Du meinst sicher außer dem "Das E-Commerce Buch"?

ALEX

RUPPERT

Genau 😊

Ganz klar schnelles und langsames Denken von Kahnemann. Mein absoluter Favorit! Und dann noch alle Ausgaben der brand eins.

ALEX

RUPPERT

Super! Vielen Dank Alex, dass du dir die Zeit genommen hast 😃

Gerne 😎!

ALEX

ALEXANDER GRAF

Alex weiß wie man komplexe Themen griffig auf den Punkt bringt. Insofern sind die Social Media Kanäle von Alex wärmstens zu empfehlen, rund um die Zukunft des E-Commerce in einer Plattformökonomie massiv helfen. Viel Spaß!