Interview: Die Revolution mit Sprachassistenten liegt in der radikalen Simplifizierung der Mensch-Maschine-Schnittstelle, findet Christian Wendrock-Prechtl.


Im Rahmen eines Austauschformats zur Technologie von Alexa sowie Google Home und deren Auswirkungen auf unseren Alltag hat Christian vorgestellt, wie die Direktbank comdirect Sprachassistenten einsetzt. Drei Dinge haben mich dabei fasziniert: Das eine deutsche Bank (traditionell konservativ) sich bei einem sensiblen Themen (finanzielle Transaktion und Datenschutz) schon im frühen Stadium an Technologien ran wagt und aus Kundensicht experimentiert. Gleichzeitig trifft man nur wenige Menschen die soviel Passion für Ihren Job mitbringen. Christian leitet bei comdirect den Bereich User Interface. Dieser Bereich umfasst drei Abteilungen (User Experience, Design, CMS). Mit ihm spreche ich darüber wie man als Unternehmen an eine völlig neue Technologie wie Voice rangeht, welche Potentiale er sieht und vor allem welche Nüsse man auf dem Weg knacken muss, um einen echten Mehrwert bei Kunden zu schaffen.

RUPPERT

Lieber Christian, das Thema Voice ist ja noch ganz in seinen Anfängen und erinnert von den bisher für Echo verfügbaren Skills eher an die Anfangszeiten der Mobile Apps, wo weiße Grafiken getarnt als Taschenlampen Apps die User noch beeindruckten. Was waren für euch am Ende die drei Hauptgründe, dass ihr beschlossen habt trotzdem schon von Anfang an am Start zu sein?

Sprache ist das natürlichste Kommunikationsmittel. Dass wir über Maus und Tastatur kommunizieren, mussten wir erst erlernen. Wir sind überzeugt, dass die Interaktion zwischen Mensch und Computer über Sprache eine maximale Convenience sicherstellt. Deshalb sind wir in diesem frühen technischen Stadium dabei – um die besten Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln. Aber wie du schon sagst, wir stehen hier noch am Anfang.

CHRISTIAN

RUPPERT

Das Ihr euren Skill um den Abruf von Echtzeit Börsenkursen erweitert kann man sich ja konzeptionell noch schnell zusammenreimen. Beeindruckend fand ich aber vor allem, dass Comdirect als ein Unternehmen in einer eher als konservativ verschrieenen Branche gerade bei dem für die Deutschen hochsensiblen Thema der Banktransaktion bereits so früh am Start ist und die Möglichkeiten von Voice austestet. Ich kenne noch heute Leute aus meinem Umfeld die nicht einmal Online Banking machen wollen. Wie begeistert man sein unternehmerisches Umfeld und überzeugt am Ende die Stakeholder, damit ein solches Projekt intern grünes Licht bekommt?

Als smarter Finanzbegleiter wollen wir unseren Kunden das Leben so einfach wie möglich machen. Voice Banking passt perfekt zu dieser Strategie. Darüber hinaus sind wir bekannt für den frühen Einstieg in Zukunftstechnologien. Intern sprechen wir von uns als erstes Fintech-Unternehmen der Branche. Und ehrlich gesagt lieben wir es, frühzeitig die Möglichkeiten neuer Technologien auszuprobieren.

CHRISTIAN

RUPPERT

Was waren gerade zu Beginn die drei Key Learnings als Ihr euren Sprachskill für Alexa und Google Home begonnen habt zu entwickeln? Wo habt ihr, wenn ihr auch so wollt, klassisches „Lehrgeld“ als Pioniere zahlen müssen, die sich auf ein völlig neues Terrain wagen?

Starte sofort mit dem Prototyp, binde deine Zielgruppe so früh wie möglich ein, bleib sinnhaft, vernünftig und deinem Ziel treu! Aber: Rechne mit dem Schlimmsten 😉

CHRISTIAN

RUPPERT

Wie geht man am besten vor um einen Sprachskill zu starten und anzuschieben. Google spricht ja immer von dem „toothbrush“-Moment. Also man sollte konzeptionell dort anfangen, wo man davon ausgeht, dass es die User mehrmals am Tag nutzen. Wie seid ihr vorgegangen? Habt ihr euch anhand von Personas genähert, welche Zielgruppen einen Voice Skill am ehesten nutzen und euch gefragt was diese Zielgruppe am meisten bewegt? Oder habt ihr euch die am häufigsten genutzten Alltagsservices angeschaut und diese nach Voice-Tauglichkeit gewichtet? Wie nähert man sich inhaltlich als eine Bank an ein solches Thema wie Voice?

Wir haben von Anfang an großes Potenzial und viele Einsatzmöglichkeiten beim Thema Voice gesehen. Gepaart mit unserer Stärke im Web und App Bereich wollten wir hier ansetzen und haben den ersten – einfachen – Sprachskill für Alexa und danach eine Action für Google entwickelt. Dadurch konnten wir reine Informationsabfrage von Realtime-Kursen anbieten. Unser Ziel dabei: Akzeptanz testen. Vielleicht war genau an dieser Stelle auch ein bisschen Glück dabei, dass es so gut funktioniert hat. Danach haben wir uns angeschaut, welche Funktionen unsere Kunden möchten und wie wir dies umsetzen können. Daraus entstanden dann unsere Weiterentwicklungen z.B. mit Push-Benachrichtigungen bei Kursveränderungen (Alexa) oder der Überweisungsvorbereitung (Google).

CHRISTIAN

RUPPERT

Ein guter ehemaliger Kollege von mir, der schon an mehreren Sprackskills gearbeitet hat, meinte, dass das Erarbeiten von Voice Konzepten an Improvisationstheater erinnert: man weiß nie genau wie Kunden den Skill bedienen und welche Anfragen reinkommen. Trotzdem muss man immer den Ball aufnehmen und möglichst natürlich darauf reagieren. Ist das etwas was auch deiner Erfahrung entspricht? Und wie stellt man den überhaupt sicher, dass neun von zehn Voice-Anfragen nicht inhaltlich ins Leere laufen?

Sprachanfragen sind absolut nicht zu unterschätzen ☺ In dieser frühen Phase ist es noch schwer, komplexe Konversationen zu konzipieren. Genau dafür benötigt man ja eine sehr gut weiterentwickelte KI. Aktuell liegt die Schwierigkeit darin, dass die Sprachassistenten natürliche Sprache und deren Semantik erkennen.

CHRISTIAN

RUPPERT

Gerade weil man nicht visuell arbeiten kann und fest definierte User Interfaces ein konkretes Rahmengerüst geben um den User zu leiten, sind gerade am Anfang viele Unternehmen verloren inhaltlich an das Thema Voice ranzugehen. Was sind deiner Meinung nach die drei größten Nüsse, die man knacken muss, damit am Ende für den Kunden etwas rauskommt, dass einen vormaligen Kundenprozess dank Voice radikal einfacher macht?

Und man kann nur hoffen, dass natürlich letzteres kommt und sich die Schweizer denken: jetzt erst recht 🤘🎉!!

Den eigentlichen Bedarf zu identifizieren.

Den idealen Kundennutzen zu finden.

Den einfachsten Lösungsweg zu gestalten.

Aber an sich sind genau diese 3 Nüsse auch die Aspekte für gutes Design bzw. im User Centered Design.

CHRISTIAN

RUPPERT

Wenn wir gerade über die Anfänge eines der nächsten großen Zukunftsthemen wie Voice sprechen, was sind in diesem Zusammenhang deiner Meinung nach die Top 3 Denkmuster die man mitbringen sollte, um eine neue Marke, ein Produkt oder digitalen Service wie euren Skill in einer GAFA dominierten Welt zu etablieren?

Voice ist keine Allzweckwaffe. Informationen werden allgemein besser grafisch vermittelt. Sie sind dadurch übersichtlicher, können leichter verstanden und auch verarbeitet werden. Die Revolution im Einsatz von Sprachassistenten liegt im Aufruf und Finden von relevanten Informationen. Durch den Spracheinsatz werden komplexe Interaktionswege radikal verkürzt und Hürden im Umgang mit Computern unterwandert. Kurz gesagt: Die Revolution liegt in der radikalen Simplifizierung der Mensch-Maschine-Schnittstelle.

Und wir steigern das Kundenerlebnis durch Geschwindigkeit, gutes Design und UX Qualität.

CHRISTIAN

RUPPERT

Und was sind deiner Meinung nach die Top 3 überholten Denkmuster im Management, die man so schnell wie möglich über Bord werfen sollte?

Wir müssen nicht die Ersten sein.

Das kommt sowie so nicht so schnell.

Lass die anderen erstmal machen.

Und jetzt hab ich das Geheimnis von comdirect verraten! 😉

CHRISTIAN

RUPPERT

Und zu guter Letzt: Hast du noch eine Buchempfehlung, die es sich lohnt zu lesen 😎?

Ein erstklassiger Klassiker: Design of everyday things.

CHRISTIAN

RUPPERT

Top! Vielen Dank lieber Christian 😎

Gerne 😎!

CHRISTIAN

CHRISTIAN WENDROCK-PRECHTL

Christian verantwortet als Bereichsleiter den gesamten Bereich User Interface bei der Direktbank comdirect. Dazu zählen unter anderem alle Kundenzugänge von Voice bis zu der comdirect App. Die Vorträge von Christian sind geprägt von einer großen Passion für nutzerfreundliche Anwendungen, um es dem Kunden so einfach wie möglich zu machen. Man hat es hier also mit einem echten Experten zu tun :-). Insofern vernetzt euch mit Christian und ich bin gespannt was noch aus seiner Schmiede alles kommt.