Interview: Selbst bei Abhängigkeiten zu Mega-Plattformen kann man sich über exzellente Inhalte immer differenzieren und das wäre bei fast jedem Unternehmen Philipps Fokus.


Philipp Westermeyer gehört zu den digitalen Machern in Deutschland. Zu seiner OMR Konferenz pilgern jedes Jahr über 60.000 Menschen um sich über die neuesten Trends im Online Marketing schlau zu machen, was sie zu einer der größten Digital-Konferenzen weltweit macht. Der OMR Podcast erreicht heute schon jede Woche über 30.000 Menschen und mit PODSTARS hat Philipp auch noch eine Media-Plattform für Podcasts gegründet, womit er zu den Treibern in der noch aufstrebenden Podcast-Branche zählt. Insbesondere Letzteres ist hochgradig spannend. Im Interview spreche ich daher mit Philipp darüber, was es braucht einen neuen Markt zu entwickeln und wie man ein vermeintliches Nischenthema wie bspw. Podcasts zu einem Markt mit Business-Potential weiterentwickelt. Viel Spaß beim Lesen :-)!!

RUPPERT

Lieber Philipp, eines der schönsten Phänomene der Digitalisierung ist, dass aus den unmöglichsten Nischen plötzlich Unternehmen mit relevantem Umsatz entstehen 😊. Jetzt habt ihr euch vor einigen Jahren dazu entschieden Podcasts in DE aus dem Nischendasein zu helfen und u.a. mit dem „OMR Podcast“ sowie eurem Vermarktungsservice „Podstars“ das Thema in DE zu einem relevanten Marketing-Kanal mit Business Potenzial weiterzuentwickeln. Wie kam es dazu, dass ihr euch ausgerechnet das Thema ausgewählt habt? Vielleicht auf dem ersten Blick nicht unbedingt das naheliegendste Begleitthema zu eurer OMR-Konferenz.

Es war eine Mischung aus Zufall und Verständnis für das Potenzial des Mediums dank eigener Nutzung: Vor 5 Jahren waren meine Kinder sehr klein und ich musste sie häufig frühmorgens im Kinderwagen schieben. Das war solange hart bis ich angefangen habe dabei Podcasts zu entdecken. Zuzuhören gefiel mir häufig so gut, ich wollte selber Inhalte machen und das für OMR auch mal probieren.

Es erschien mir dazu auch logisch, dass das Thema wieder größer werden würde. Seinen Medienkonsum selber zu programmieren, Smartphones, die kostenfreie Nutzung, super Inhalte damals schon, das musste kommen. Und als dann der OMR Podcast richtig gut anlief, haben wir direkt angefangen andere Podcasts ebenfalls zu vermarkten und dann ging es los. Viele neue Podcasts, Zusammenarbeit mit großen deutschen Entertainment-Stars usw. Heute ist es eine eigene Firma mit 16 Leuten aktuell.

PHILIPP

RUPPERT

Wow!! Und das ist ja mal eine super sympathische Entstehungsgeschichte 🙂. Als Ihr euch dann, mit dem Anfangserfolg und der Perspektive aus dem amerikanischen Markt, dazu entschieden habt mehr zu investieren und mit „Podstars“ die Grundidee des Vermarktungskonzepts von Werbebannern oder Suchmaschine-Anzeigen auf Podcasts zu übertragen: Was waren die größten Herausforderungen die euch begegnet sind um das Thema in DE zu etablieren?

Es ist ja schon ein riesen Unterschied ob man von einem bereits großen und etablierten Markt versucht sich einen Marktanteil zu erarbeiten oder, wie in eurem Fall, einen neuen Markt strukturell zu einem größeren Markt weiter zu entwickeln.

Generell muss man sagen, dass wir Timing-Glück hatten und sich viele Türen für das Thema leicht haben öffnen lassen, weil sehr viele Menschen entweder als Hörer oder Werbetreibende das Thema schnell erkannt haben. Wichtig war es als ein relevanter Akteur und Ansprechpartner in dem neu entstehenden Markt Sichtbarkeit zu bekommen. Wir haben dann über ansprechende eigene Produkte und größere Partnerschaften sowie ein starkes Team glaube ich gute Schritte gemacht.

PHILIPP

RUPPERT

Was glaubst du waren denn die Gründe, dass es dann plötzlich vor fünf Jahren durch die Decke ging und ihr das perfekte Timing-Glück erwischen konntet mit dem sich viele Türe öffnen ließen? Das Format köchelte ja seit 2005 eigentlich eher vor sich hin. Was machte Podcasts als Trend dann auf einmal so besonders und speziell, dass sich auf einmal zig Menschen dafür begeistern und es ein Hörformat schafft sich auch gegen deutlich leichter konsumierbare Formate wie Insta Stories oder YouTube Channels zu behaupten?

Das Thema Medienkonsum "On demand" hat sich massiv entwickelt. Netflix, Spotify, Mediatheken usw. haben viele Menschen umgewöhnt. Dazu haben Millionen von Smartphone-Besitzern extrem leichten Zugang zu Podcasts, häufig sogar Podcast Apps voreingestellt, was früher nicht so war. Diese beiden Effekte sorgen dafür das Podcast-Inhalte eine viel höhere Wahrscheinlichkeit haben Leute zu erreichen.

Wenn man dann sieht wie viele herausragende Angebote bereits da waren, insbesondere auch international, dann war das sozusagen ein "Perfect Storm". Im Unterschied zu Instagram und YouTube schaffen Podcasts auch neue Fenster des Medienkonsums, z.B. während des Trainings, Auto fahren oder halt Kinderwagen schieben...

PHILIPP

RUPPERT

Stimmt, neue Zeitfenster trifft bei mir auch zu. Insbesondere wenn ich in der Bahn sitze höre ich super gerne Podcasts anstatt nur vor mich hinzusurfen. Neben dem Timing und Fokus auf mehr Sichtbarkei wie du sagst, habt ihr auch mit richtig guten Produkten gepunktet wie eurem eigenen „OMR Podcast“ aber auch mit „On The Way To New Work“.

Deiner Erfahrung nach: Was ist für ein Podcast-Format essentiell, damit man treue Fans aufbaut und worauf achtet ihr wenn ihr ein neues Format aufsetzt wie bspw. zuletzt „Fiete Gastro“ (übrigens Hammer Name nebenbei 😉)?

Vor allem braucht man einen Host mit spürbarer Leidenschaft für das Thema, jemand der bereit ist einen Teil seiner Arbeits- und Lebenszeit langfristig mit Podcasting zu verbringen. Das ist für viele interessante Leute eine Hürde, weil sie andere Themen haben. Wenn man ein super Paket hat, geht es vor allem darum den Podcast vielen Leuten „zu zeigen“, also reichweitenseitig zu pushen. Da haben wir mittlerweile viele Erfahrungen und Mittel gefunden, aber nichts hilft, wenn das Produkt sprich der Podcast seine Hörer nicht halten kann.

PHILIPP

RUPPERT

Das mit der langfristigen Lebensarbeitsaufgabe finde ich spannend. Letztens hat mich ein Unternehmen gefragt, wie sie denn bei YouTube über 100.000 Abonnenten bekommen. Meine simple Antwort war, dass sie drei Jahre lang jeden Tag ein Video von 10 Minuten hochladen müssen das jedes Mal richtig gut ist. Da haben Sie schon mal direkt abgewunken.

Am Ende wollen alle den Erfolg, aber dass was es wirklich dafür braucht sind dann doch nur die Wenigsten bereit zu investieren. Magst du uns mal ein Gefühl dafür geben, was du operativ wirklich meinst, wenn du davon sprichst Podcasting wirklich zu einer leidenschaftlichen Profession zu machen und einen Teil der eigenen Arbeits- sowie Lebenszeit langfristig zu investieren?

Direkt zur Frage: Ich sehe das wie du, wenn man in einem Kanal in dem „Vertriebsoptimierung“ kaum hilft, also maximal 20% ausmachen, also keine Reichweiten-Tricks wie SEO oder günstige Klicks kaufen oder Ähnliches hilft, dann muss einfach der Inhalt stimmen. Du musst in der Lage sein Hörer zu halten über bestenfalls Jahre und am besten noch Word-Of-Mouth Empfehlungen auszulösen. In so einer Situation hilft nur ein Produkt an das man täglich denkt als Macher und sich fragt, wie man es besser hinbekommt, für das man mit Leidenschaft einsteht und für Hörer aber auch kleinere Multiplikatoren wie Journalisten, Blogger, PR-Verantwortliche inhaltlich glaubwürdig, immer ansprechbar und authentisch ist.

Ich arbeite sicher einen Tag die Woche Vollzeit selber und dazu ein Team von insgesamt 14 Leuten am Thema Podcast. Im wöchentlichen OMR Podcast stecken im Schnitt also sicher 2 - 2,5 Manntage die Woche, eher mehr.

PHILIPP

RUPPERT

Ohne Beharrlichkeit und Passion geht es einfach nicht, auf jeden Fall! Du zählst mit eurem OMR Podcast und Podstars in dem Bezug auch wirklich zu den Treibern am Markt. Insofern hast du ja ein hervorragendes Gefühl dafür, wie sich der Markt gerade entwickelt und welche Hörformate an euch herangetragen werden. Wenn du von heute auf die nächsten Jahre blickst: Was glaubst du wo der Podcast Markt sich inhaltlich und businessseitig in seiner Bedeutung im Vergleich zu anderen „Creators“ wie YouTuber, Instagramer, Streamer etc. hinentwickelt?  Wird das perspektivisch auf Augenhöhe sein?  Evtl. vielleicht sogar größer?  Wird es der Kanal mit der größten inhaltlichen Tiefe?

Wie ist da deine Einschätzung?

Jeder Kanal ist anders und das gilt insbesondere für die Metriken. Was vergleicht man da genau? Einzelne Podcasts werden sicher eine ähnliche Relevanz bekommen wie nationale Accounts bei YouTube oder Instagram. Man kann sicher sogar darüber diskutieren, ob Podcasts aufgrund der Tiefe und anspruchsvolleren Zielgruppe nicht vielfach sogar mehr Bedeutung entwickeln können. Ziemlich sicher glaube ich, dass nationale Podcast-Creator ähnliche Umsätze erzielen können wie die größten nationalen creator bei YouTube oder Instagram. Für 2020 erwarten wir die ersten Podcasts-Creator im Bereich der Einkommensmillionäre.

PHILIPP

RUPPERT

Jetzt hast du ja eine Reihe von spannenden Faktoren aufgezählt, die es einfach braucht damit sich ein Thema wie bspw. Podcasts aus der Nische erhebt und massentauglich wird:
# Veränderter Medienkonsum
# Leichter Zugang
# Neue Nutzungssituationen
# Super Inhalte
# Beharrlichkeit und Passion
# Timing-Glück

Wenn wir jetzt andere Themen-Nischen nehmen, die vielleicht noch nicht ganz so reif sind wie es Podcasts vor fünf Jahren waren und das Timing Glück mal ausklammern: Was würdest du auf Basis deiner Erfahrungen Gründern, Unternehmen, Menschen mit Passion empfehlen an welchen dieser Faktoren sie arbeiten sollten? Wo siehst du die stärksten Hebel, die man einfach knacken muss, damit ein Thema überhaupt die Chance bekommt zu fliegen?

An Glück und so kann man ja trotz allem nur bedingt arbeiten. Ich finde es hier generell wichtig, dass Leute ihr Glück erkennen und dafür dankbar sind und sich entsprechend verhalten. Aber das ist ein anderes Thema. Eine Sache für die ich gerade im (unternehmerischen) Medien-Umfeld immer Platz sehe sind besonders gute Inhalte. Sowas verändert alles.

Man kann das auf groß gedachtem Niveau sehen, beim aktuellen Aufbau von DAZN oder bei Projekten wie Highsnobiety oder aktuell im kleineren hoffentlich bei unserer neuen Medienplattform FinanceFWD. Auch ABOUT YOU ist ein Beispiel die sind ja mit ihren ganzen Awards, Festivals, TV Shows, Influencern usw. Auch ein Inhalte-Unternehmen mit sehr guten Inhalten halt.

PHILIPP

RUPPERT

Damit hast du auch schon direkt eine Frage vorweg genommen, welche Beispiele draußen am Markt dir besonders gefallen 😊! Was wären in diesem Zusammenhang deiner Meinung nach die Top 3 Denkmuster die man mitbringen sollte, um eine neue Marke, ein Produkt oder digitalen Service in einer GAFA Welt zu etablieren?

Ein sehr schöner Aspekt von „Digital“ ist es, dass man viel kommunizieren kann, verschiedene Kanäle, Touchpoints mit seinen Kunden hat, wenn man es möchte bzw. seine Firma so ausrichtet. Dadurch werden Inhalte wichtiger und viele Firmen durch die Hintertür Inhaltefirmen. Wenn man schon viel Technologie-Themen outsourcen muss oder in gewisser Abhängigkeit zu Mega Plattformen steht, dann kann man sich zumindest über Inhalte exzellent differenzieren und das wäre bei fast jedem Unternehmen mein Fokus.

Daneben gehört eine gewisse Exzellenz auf den großen Paid-Media-Plattformen sicher fast schon als Hygiene dazu.

PHILIPP

RUPPERT

Klasse, vielen Dank! Und was sind deiner Meinung nach die Top 3 überholten Denkmuster im Management?

Generell ist das schwer für mich zu sagen, aber im Bereich Marketing gibt es immer wieder Themen, die mir auffallen z.B. man kann aus meiner Sicht viele Aspekte von digitalem Marketing nur sehr schlecht outsourcen, zumindest bei den meisten Geschäftsmodellen finde ich das den falschen Weg. Trotzdem sieht man es überall.

Ansonsten glaube das in der heutigen Zeit der Wert von „Erfahrung“ im Digital geschäftlichen Kontext überschätzt wird. Man macht zwar Erfahrungen, aber vieles ändert sich schnell und man muss so agil bleiben. Erfahrungen werden diesbezüglich zu hoch eingestuft gegenüber Neugier und unternehmerischem Handeln, finde ich.

PHILIPP

RUPPERT

Und zu guter Letzt: Hast du noch ein, zwei Podcast- und Buchempfehlungen, die es sich lohnt zu hören oder zu lesen 🙂?

Pods höre ich so viele, da fällt es schwer was auszuwählen. Dazu bin ich sicher, dass viele naheliegende Tipps deinen Lesern schon bekannt sind. Bei Büchern ist es anders. Richtig viele Bücher schaffen ja die wenigsten im Leben zu lesen, deswegen ist Qualität zu erleben dort noch wichtiger, dachte ich mal und hab mit Klassikern angefangen z.B. „Buddenbrooks“ von Thomas Mann, das hat mir super gefallen und man nimmt auch fürs moderne Business leben Dinge mit.

PHILIPP

RUPPERT

Super, vielen Dank Philipp 😎👍

Gerne 😎!

PHILIPP

PHILIPP WESTERMEYER

Philipp Westermeyer ist nicht nur der Gründer der OMR, sondern zählt in der Digitalszene u.a. mit dem OMR Podcast zu den Markttreibern in Deutschland. Mit der Gründung von „Podstars“ überträgt Philipp gerade die Grundidee des Vermarktungskonzepts von Werbebannern oder Suchmaschine-Anzeigen auf Podcasts.

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